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05.07.2021 – Menschenrechtsverteidiger:innen der mexikanischen und europäischen Zivilgesellschaft trafen sich im Rahmen des Menschenrechtstrialogs mit Vertreter:innen der mexikanischen Regierung und der Europäischen Union, bei dem sie die Empfehlungen weiterverfolgten, die während des hochrangigen Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Mexiko im Juli 2020 ausgesprochen wurden.

Menschenrechte durch Dialog voranbringen (Artikel des EU-LAT Netzwerkes)Die Empfehlungen sind in folgende thematische Blöcke gegliedert: 1. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie; 2. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten; 3. Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen und Mädchen und LGBTI-Menschen; 4. Rechte von Menschen in prekären Situationen: Kinder und Jugendliche, indigene Völker und Migranten; 5. Wirtschaft und Menschenrechte. Sie beziehen sich auf Probleme, die sowohl in Mexiko als auch in der EU auftreten. Räume für politischen Dialog sind Teil des globalen Abkommens zwischen der EU und Mexiko, das über ein Handelsabkommen hinaus eine strategische Allianz zwischen den beiden Parteien darstellt. Dieses Abkommen wurde in den letzten Jahren überarbeitet und soll 2021 zur Ratifizierung vorgelegt werden. Die aktualisierte Version enthält ein neues Kapitel über nachhaltige Entwicklung, das die Umsetzung des Pariser Abkommens und einen positiven Beitrag des Handels zur Entkarbonisierung der Volkswirtschaften fordert. Nach Recherchen von PowerShift und dem Transnational Institute (TNI) fehlt jedoch ein Sanktionsmechanismus im Falle der Nichteinhaltung internationaler Umweltstandards oder bei Menschenrechtsverletzungen. Darüber hinaus warnen beide Organisationen davor, dass zum ersten Mal in einem Handelsabkommen zwischen der gesamten Europäischen Union und einem lateinamerikanischen Land ein Kapitel zum Investorenschutz aufgenommen wurde, das die Abschirmung privater Interessen durch das Investitionsgerichtssystem (ICS) vorsieht. Hervorzuheben ist, dass dieses Kapitel Unternehmen das Recht gibt, Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen. Derzeit ist Mexiko das Land mit den sechstmeisten Investorenklagen vor Schiedsgerichten weltweit. Es ist mit neun Klagen europäischer Investoren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) konfrontiert.

Auch die internationale Zivilgesellschaft steht solchen Abkommen, die die aktuelle Gesundheits- und Klimakrise nicht berücksichtigen, kritisch gegenüber, wie Nicolas Roux von Friends of the Earth und Attac Frankreich bei einer öffentlichen Veranstaltung zum globalen Abkommen zwischen der EU und Mexiko betonte. Roux fügte hinzu, dass diese Abkommen aus einer anderen Zeit stammten und symbolisch für Wirtschaftsmodell sind, das gescheitert ist. Das Fehlen robuster, verbindlicher Regeln zum Schutz der Menschenrechte und die Notwendigkeit, Wirtschaftsmodelle zu finden, die wirklich nachhaltig für die Umwelt und das menschliche Leben sind, sind die Hauptgründe, warum Organisationen wie TNI und PowerShift fordern, das Globalabkommen zwischen der EU und Mexiko nicht zu ratifizieren.

Bezüglich der Situation von Menschenrechtsverteidiger:innen fanden wir in den Dialogen einen breiten Konsens über das extreme Risiko, das mit der Verteidigung der Menschenrechte in Mexiko einhergeht sowie die Notwendigkeit, Menschenrechtsverteidiger:innen zu schützen. Selbst mit dem Bundesschutzmechanismus, der von grundlegender Bedeutung ist, hat Mexiko es nicht geschafft, ein sicheres Umfeld für Menschenrechtsverteidiger:innen (MRV) zu schaffen. Es ist notwendig, den präventiven Ansatz zu stärken, der das Problem der Straflosigkeit angeht und die Arbeit an einer umfassenden Politik zum Schutz der Öffentlichkeit fortzusetzen. Als präventive Maßnahmen fordern die teilnehmenden zivilgesellschaftlichen Organisationen, dass die Europäische Union mehr öffentliche Erklärungen zu Situationen abgibt, die auf eine Eskalation von Gewalt hinweisen, sowie öffentliche politische Unterstützung, um den offiziellen Narrativen entgegenzuwirken, die die Arbeit von MRV, Journalist:innen und der Zivilgesellschaft kriminalisieren und delegitimieren. Besorgniserregend ist, dass wir viele Parallelen zwischen der Kriminalisierung von MRV und der Verletzung der Rechte von Migrant:innen in der EU und Mexiko beobachtet haben. Zielsetzungen, die sich auf „irreguläre“ Migration konzentrieren, haben in beiden Regionen zu einem System des Grenzmanagements geführt, das kaum Garantien für die Achtung der Menschenrechte von Menschen auf der Flucht bietet.

In Bezug auf die Situation der Gewalt gegen Frauen wurden Bedenken hinsichtlich der Budgetkürzungen, der fehlenden Anerkennung des Ernstes der Situation und eines Klimas der Stigmatisierung gegen feministische Bewegungen geäußert. Der 2018 in Oaxaca begangene Femizid an María del Sol Cruz Jarquínvii wurde ebenfalls zur Sprache gebracht. Ihre Mutter, Soledad Jarquín, war mehrfach mit Sicherheitsvorfällen konfrontiert, über die sich die Sonderberichterstatterin für die Situation von Menschenrechtsverteidigern, Mary Lawlor, kürzlich besorgt geäußert hatte. Consorcio Oaxaca, als Sprecher der Zivilgesellschaft in diesem Themenblock, betonte die Notwendigkeit einer stärkeren Nachverfolgung einzelner Fälle.

Die mexikanische und europäische Zivilgesellschaft engagiert sich in diesem hochrangigen politischen Dialog, um die Probleme zu beleuchten, die die Menschenrechtslage in beiden Regionen verschlechtern. Die von uns dargestellten Situationen sind komplex und wir erkennen an, dass sie langfristige und radikale Strategien, aber auch viel Ehrgeiz und politisches Engagement erfordern. Die Einschätzung der Organisationen hinsichtlich der Umsetzung der bisher vorgelegten Empfehlungen ist, dass es kaum Fortschritte gegeben hat — zumindest keine ausreichenden Fortschritte, um das Ausmaß der Herausforderungen zu bewältigen, vor denen Mexiko und die Europäische Union stehen. Zusätzlich zu diesen gibt es weitere globale Herausforderungen wie die Gesundheitskrise oder den Klimanotstand, die ebenfalls dringende Antworten erfordern. In diesem Szenario sind MRV, Organisationen, Gemeinschaften und indigene Völker der Schlüssel zu widerstandsfähigen und demokratischen Gesellschaften und in diesem Sinne müssen hochrangige politische Räume zugänglich und partizipativ sein. Der Menschenrechtstrialog trägt zu diesem Ziel bei und im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Mexiko werden wir uns weiterhin für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen.

Text: EU-LAT, ein Netzwerk von 40 Mitgliedsorganisationen aus 12 Ländern der Europäischen Union, darunter peace brigades international
Übersetzung: Berit Köhne
>> Originalartikel (Englisch)